19.07.2010

BMW R 1200 GS: Das Konglomerat

Die BMW-Reiseenduro ist seit einer scheinbaren Ewigkeit das meistverkaufte Motorrad in Deutschland. Und nicht nur hier, wo sie ja Heimvorteil hat und die seltsame Mischung aus rustikaler Machart und Vorzeige-High-Tech gut ankommt. Nein - selbst in Italien, wo all diese Eigenschaften eigentlich die gegenteilige Wirkung haben sollten. Manche Leute können sich nicht einmal vorstellen, dass es andere Motorräder gibt und dass man mit ihnen sogar fahren oder, gottbewahre, verreisen könnte. Nein, für diese Leute kommt einfach nur eine BMW R 1200 GS infrage.
All das macht es natürlich leicht, sie zu verachten. Jedenfalls wenn man, so wie ich, auf klassische Optik und reduzierte Technik steht. Und etwas gegen Alukoffer und Verkleidungen
hat sowie aus Prinzip gegen alles ist, worauf sich zu viele Leute einigen können, mit denen man sonst nicht viel gemein hat. Solche Vorurteile machen es schwer, das Motorrad dahinter zu erkennen. Und wenn dann noch das Design alles tut, um einem die Annäherung zu verleiden (dieser Karl-Dall-Blick! diese groben Detaillösungen! dieser freiligende Kabelverhau!), dann geht einem das meistverkaufte Motorrad Deutschlands einfach am Arsch vorbei.
Doch nun steht sie als Testmaschine auf dem Verlagshof, und heute bin ich sie gefahren. Und Freunde, ich gebe es zu: Es hat mir gefallen. Die GS ist eines der Motorräder, die man gefahren sein muss, um ihren Reiz zu verstehen. Und dann geht sie einem nicht mehr am Arsch vorbei, sondern schlüpft hinein wie ein geöltes Zäpfchen. Sie macht fast alles richtig, wenn sie einmal fährt (das Handling im Stand ist zwar eine Zumutung, aber dafür werden Motorräder ja nicht gebaut): Die leichtfüßige Handlichkeit ist für ein solches Kaliber wirklich frappierend, und der Motor macht in seiner neusten Entwicklungsstufe mit seiner Mischung aus Drehfreude und Durchzug aus niedrigsten Drehzahlen richtig an. Chapeau.
Man möchte nicht mehr absteigen, sondern immer weiter fahren. Wie war das noch mit dieser Schottland-Tour, die seit Jahren im Kopf herumspukt? Oder soll man einfach immer wieder diese geile Kurvenstraße im Südspessart hoch- und runterfahren?
Höre ich da den Rettungswagen? Habt ihr die psychologische Nothilfe verständigt, um mich von einem verhängnisvollen Fehler abzuhalten? Keine Angst, nicht nötig. Obwohl die GS zweifellos besser ist als alles, was in meiner Garage steht und jemals dort gestanden hat, muss mir ein Motorrad nun einmal vor allem optisch gefallen, um es besitzen zu wollen. Und wenn es dreimal unbequem, leistungsschwach und hart gefedert ist. Ach ja, und noch etwas ist mir aufgefallen: Nach einer halben Stunde Fahrt tat mir der Arsch weh. Der hat wohl wirklich etwas gegen die R 1200 GS.