19.05.2011

Chopper-Blues auf der Route 303

Wie oft schon habe ich auf der Autobahn die harten, "echten" Chopperfahrer bewundert: in Lederklamotten bei acht Grad im Nieselregen unterwegs zu irgendeinem Treffen, den Schlafsack vorn auf die Gabel geschnallt, nicht schneller fahrend als 110, weil die Vibrationen der alten Harley sonst die Fingernägel rausschütteln. Aber das ist alles gar nichts. Nach meinen beiden Tagen auf der Honda VT 1300 X weiß ich aber, dass die wahre Herausforderung beim Chopperfahren die unsäglich bescheuerte Sitzposition ist.
Das Problem sind vor allem die vorverlegten Fußrasten. Parken die Beine irgendwo vorn Richtung Horizont, dann darf der verlängerte Rücken die ganze Last tragen. Ich meine gar nicht den Hintern – der ruht in der breiten Sitzpfanne so bequem wie in Abrahams Schoß – sondern den Steiß. Die Sitzpfanne der Honda ist so geformt, dass wirklich die gesamte Masse des Oberkörpers auf dem Steißbein lastet – und dort, soviel kann ich aus umfassender Erfahrung sagen, gehört sie gar nicht hin. Gestern habe ich es immerhin bis kurz vor Zwickau ausgehalten, aber heute auf der Rückfahrt fingen die Schmerzen schon kurz nach dem Start an. Was habe ich mich auf der Honda gewunden, um eine Stellung zu finden, die nicht unerträglich war – aussichtslos!
Davon abgesehen war die Fahrerei zum Sachsenring aber eine reine Freude. Denn auf dem Weg von Würzburg in Richtung Sachsen erstreckt sich eines der unbekanntesten Meisterwerke deutscher Straßenbaukunst – die B 303 zwischen Schweinfurt (genauer gesagt der Autobahnabfahrt Schonungen) und Coburg. Das sind rund 60 Kilometer, auf denen es gerade einmal zwei Ortsdurchfahrten gibt. Die Straße führt in leichten Schwüngen durch eine hügelige, wunderbar grüne Landschaft voller Weiden, kleiner Felder und Waldstücke. Dörfer sieht man kaum, sie liegen zu weit abseits. Es ist kein anspruchsvolles Kurvenparadies, sondern eine Strecke zum entspannten, aber trotzdem zügigen Dahinrollen, die dem Fahrer genügend Zeit lässt, um die Landschaft zu genießen. Für die Honda war das genau das richtige Geläuf. Auch die weitere Streckenführung, vor allem im ehemaligen Grenzgebiet und in Thüringen bot Herausragendes, und dann noch das tolle Wetter – viel besser kann man gar nicht zu einem Termin anreisen!
Übrigens: Mittlerweile sind die Reifen für die SR geliefert worden (siehe Beitrag "Kleine Verzögerungen" – von wegen klein). Morgen kann ich das Maschinchen also wieder zusammenbauen. Und dann davon träumen, eine Tour wie die oben beschriebene mit ihr zu machen.