04.07.2011

Einzylinder-Wahnsinn

Der Plan: Mit der SR in die Eifel fahren, beim dortigen Royal-Enfield-Generalimporteur eine Testmaschine ausfassen und sie nach Würzburg bringen. Das Datum: heute. Die Strecke: fast 700 Kilometer. Spätestmögliche Rückkehrzeit: Wenn das Kind ins Bett muss. Das Ergebnis: Alles hat geklappt, nur ich bin beinahe zusammengeklappt, weil zum Essen zwischendurch keine Zeit blieb.
Eine Enfield wollte ich schon immer einmal ausprobieren. Leider hat es, so lange die alten Vergasermodelle gebaut wurden, nie geklappt. Nun ist es eben die neu entwickelte "Ih-Eff-Ei" geworden, die mit dem Einspritzmotor (EFI). Altertümlich sieht sie immer noch aus, ist aber einfacher zu handhaben, weil in den meisten Details auf dem Stand des weißen Mannes (Linksschaltung, Elektrostarter usw.).
Doch erst einmal stand die Anfahrt mit der SR auf dem Programm, meine längste Tour mit ihr bis jetzt. Fazit: Absolut langstreckentauglich. Die Sitzposition passt und ist darüber hinaus auch ziemlich variabel – beispielsweise lassen sich die Füße recht bequem auf den hinteren Rasten abstellen, wenn die Knie mal einen anderen Winkel haben wollen. Ob ich an dem breiten Lenker allerdings, ähem, festhalten werde, weiß ich noch nicht. Viel weniger handlich kann sie auch mit einem schmaleren nicht sein, aber deutlich windschnittiger.
Der Verbrauch lag trotz Dauervollgas und einem nennenswerten Autobahnanteil nie über vier Litern, was ich angemessen finde. Der Motor ist allerdings, und das fällt im Vergleich mit der Enfield noch mehr auf, eine echte Drehorgel. Schade, einen Hauch mehr Dampfhammercharakteristik hätte ich mir dann doch gewünscht. Außerdem ist der Auspuff enorm leise und folgerichtig fühlt sich das Aggregat immer noch etwas zugestopft an. Vielleicht muss ich da noch mal bei.
Dann die Enfield: Druck aufs Knöpfchen, und puff-puff-puff lanz-bulldoggt sie los. Herzig. Den Unterschied zwischen Lang- und Kurzbub fühlt man beim Anfahren sofort. Heidewitzka, schwingt das nach dem Einkuppeln elastisch und zügig voran. Allerdings ist es vollkommen egal, wie viel Gas man gibt. Dreht man voll auf, passiert auch nicht viel mehr. Immerhin bringt die EFI 28 PS und ist damit voll landstraßentauglich. Die Sitzposition auf dem Schwingsattel ist ebenso lässig wie bequem. Warum gibt es so etwas sonst bei keinem Hersteller mehr? Das Fahrwerk stammt ebenfalls aus den 50er Jahren, aber im negativen Sinne. Kaum Federweg, dafür puffert der weiche Rahmen die schlimmsten Schläge weg. Die Schräglagenfreiheit ist erstaunlich gering. Obacht: starre Rasten! Die Vorderradbremse verzögert allerdings top und schlägt sich um Welten besser als das Puddingteil an meiner SR. Das beste ist allerdings der Klang. Der kann wirklich süchtig machen.
Im Vergleich mit der Yamaha sticht der für das Konzept besser geeignete Motor. Die Optik ist mir allerdings zu schwülstig, da gefällt mir die cleane SR besser. Welche Top-Arbeit die Yamaha-Designer damals abgeliefert haben (obwohl jeder denkt, es sei nur eine schnöde England-Kopie) zeigen vor allem die perfekten Proportionen. Bei ihr passen Radgrößen, Radstand, Maschinenlänge und -höhe und die Größe der Anbauteile bestens zusammen. Für die Enfield, die ja eigentlich keine Kopie ist, sondern das immer weitergebaute Original, gilt das weit weniger.
P. S. Am Mittwoch fahre ich mit der indischen Beinahe-Antiquität auf eine Bosch-Veranstaltung zum Thema Motorrad-ABS. Welch besseres Transportmittel könnte es dafür geben!