28.08.2011

Pizza Dolomiti

Und ganz schnell ist wieder alles wie immer. Das Wetter in Deutschland zeigt sich gewohnt wechselhaft und kühl, das Kind tobt durch die Wohnung, als sei es nie weg gewesen, und die Motorräder dämmern in der Garage vor sich hin. Dabei ist es gerade ein paar Tage her, dass meine Frau und ich beim besten denkbaren Wetter durch die Alpen fahren durften.
Wer Ras-mussen ein wenig kennt, der weiß, dass er hier keine klassischen linearen Reiseberichte erwarten kann. Aber weil ich so etwas selbst ganz gerne lese und weil es mir außerdem dabei hilft, mich noch einmal an alles zu erinnern, beginne ich einfach ganz vorschriftsmäßig mit der Anreise.
Heute vor einer Woche ging es los. Bis zum Quartier in Osttirol, nahe dem Ort mit dem schönen Namen Sillian, lagen rund 580 Kilometer vor uns – eine Distanz, die für eine durchgehende Landstraßentour etwas zu lang ist. Also wollten wir auf der B13 von Würzburg nach Ingolstadt fahren, dann bis kurz nach München auf der Autobahn und schließlich über Tegernsee, Achensee und Felbertauerntunnel ans Ziel. Dumm nur, dass die A9 an diesem Sonntag ein einziger Stau war und uns mehr Zeit gekostet als gespart hätte. Also blieben wir doch auf der Landstraße und kamen gegen 18 Uhr ziemlich müde im Hotel an - kein Wunder bei über 30 Grad Außemtemperatur. Außerdem war der Weg durch Österreich landschaftlich zwar schön, aber wir mussten uns als Teil einer 100 Kilometer langen Wohnmobilschlange durch die Alpentäler bewegen. Logisch, wenn man mitten im August in den Urlaub fährt. Aber jede Tortur geht einmal zu Ende; am Ziel wartete bereits MZ-Kumpel Alexander (allerdings auf Derbi Mulhacen unterwegs) aus Wien auf uns, und besser als mit einem tellergroßen Schnitzel in einem Alpengasthof kann man einen Tag sowieso nicht beschließen.
Mein Plan für Montag lautete, die berühmte Passrunde um das Sellamassiv zu fahren. Gesagt, getan. Wir reihten uns also wieder in die Wohnwagenparade ein und ließen uns bis kurz vor Brunico spülen, wo wir Richtung Süden abbogen. Schlagartig wurden die Straßen leerer. Der erste nennenswerte Pass auf der Route nannte sich Furkelsattel (klingt wie aus einem Buch von Douglas Adams, oder?), und danach verfuhren wir uns. Glücklicherweise. Denn durch einen etwas überraschend platzierten Wegweiser gelangten wir auf eine schmale, einsame Straße, die ein paar kleine Dörfer und Einzelhöfe verband, komplett unbefahren war und die ich hinterher auf der Karte auch nicht wiederfinden konnte. Sie führte uns trotzdem in die richtige Richtung, und rechtzeitig vor dem Passo die Gardena fanden wir auch unsere Wohnmobilschlange wieder. (Das klingt jetzt schlimmer als es ist: Auf den Pässen ließ es sich trotz Hauptreisezeit recht gut fahren, auch wenn man häufig überholen musste. Was trotzdem auffiel: Entgegen ihrem Ruf fahren die Italiener in den Bergen außerordentlich passiv und langsam. Selbst normale Pkw-Fahrer überschreiten kaum einmal die 60-km/h-Marke, selbst wenn es im Tal geradeaus geht. Seltsam.)
Über Sella- und Pordoi-Joch schwenkten wir dann wieder Richtung Österreich ein, erlaubten uns aber noch einen Schlenker über den Passo di Giau. Welch bezauberndes Sträßchen: guter Asphalt, wenig Verkehr und auf der Passhöhe eine 270-Grad-Sicht in die allerschönste Gebirgswelt. Überhaupt sollte die Gegend südlich von Cortina d'Ampezzo noch einige solche landschaftlichen Schönheiten und straßenbaulichen Meisterwerke bereithalten – aber dazu später mehr.
Das war der erste Tag. Jetzt weiß ich auch, wie es den anderen Bloggern gelingt, immer solche langen Riemen zu schreiben. Mich verlässt ehrlich gesagt schon jetzt die Lust. Sollte ich die nächsten Tage vielleicht doch im bewährten Staccatostil abhandeln? Also los, und zwar erst einmal auf die Metaebene: Das Motorradfahren in den Alpen spielt sich gewöhnlich so ab: Erst einmal fährt man durch ein ewig langes Tal, in dem sich Dörfer, Städte und Industriegebiete aneinander reihen. Auf der einzigen Durchgangsstraße tummeln sich Gewerbetreibende, Anwohner und Touristen mit allen möglichen Fahrzeugen vom Roller bis zum 40-Tonner. Dort macht Fahren keinen Spaß. Dann biegt man ab in Richtung eines Passes. Besiedlung und Verkehr werden dünner, die Landschaft schöner. Man schraubt sich über enge Serpentinen bergauf, erlebt ein paar Glücksmomente bei gekonnt angegangenen Kurven oder besonders spektakulären Ausblicken, trinkt auf der Passhöhe einen Kaffee und stürzt sich schließlich wieder bergab. Dort beginnt das nächste Tal – siehe oben.
Der Gesamtgenuss einer Alpentour hängt im wesentlichen davon ab, ob die Berg- oder Talmomente überwiegen. Auf unserer zweiten Tagestour durch die Dolomiten hatten wir diesbezüglich Glück, denn wir fuhren den hübschen Passo Cibiana (mit einem hervorragenden Gasthaus an der Passhöhe), den Staulanza und erneut den schon beschriebenen Giau. Trotz der langen An- und Abreise durch die notorischen Täler war das der schönste Tag. Über die anderen Tage lohnt es sich nur insoweit zu berichten, als dass wir uns im Waldbad von Kötschach-Mauthen einen ausgewachsenen Sonnenbrand holten. Am Freitag ging es wieder auf den Heimweg. Letzte alpine Glücksmomente vermittelte das Hahntennjoch, bevor die A7 zu einer ungemütlichen, aber schnellen Heimreise nach Würzburg verhalf.
Tja, und nun ist der schöne Urlaub schon wieder vorbei. Im nächsten Jahr versuchen wir vielleicht einmal eine andere Gegend. Eine, die nicht nur aus Tälern und Pässen besteht. Mal sehen, was es so gibt.