16.10.2011

Saisonabschluss auf dem Schandkarren

Manchmal sollte man sich selbst vom besten denkbaren Wetter nicht verführen lassen, aufs Motorrad zu steigen. Es könnte einem einiges erspart bleiben. Dabei sollte es heute nur eine kleine Runde werden – eineinhalb Stunden, etwa so lange, wie der Hackfleisch-Kartoffel-Auflauf im Ofen zum Garen brauchte.
Es kam anders. Die erste Abweichung von der Norm war eine Radarkontrolle an einer völlig widersinnigen Stelle – am ENDE (!) einer Tempo-80-Zone, nach der nichts anderes folgt als der vollkommen störungsfreie Verlauf einer ganz normalen Bundesstraße, ohne jegliche Kindergärten, Kieswerk-Einfahrten, Altenheime oder was sonst des Schutzes durch unsere Ordnungshüter bedürfen könnte. Aber es ist die Stelle, an der man seinen Motor zum ersten Mal nach der Abfahrt in Würzburg so richtig hochdrehen kann. Das habe ich zwar nicht getan – er war ja noch kalt – und vielleicht haben mich die Kollegen deshalb auch weiterfahren lassen. Aber meine Stimmung war für's erste versaut.
Trotzdem machte mir die Tour unheimlich Spaß, denn ich war zum ersten Mal seit Ende Juni wieder mit der Skorpion unterwegs. Ich weiß noch, wie ich unterwegs dachte, dass der Motor heute wieder so wunderbar rund, perlend und wohltuend läuft. Aber kurze Zeit später – beim Vollgasgeben während eines Überholvorgangs – drangen plötzlich furchbar teure Geräusche aus dem Maschinenraum. Es hörte und fühlte sich an, als zerbräche etwas (das tat es gleichzeitig auch in mir), und mir blieb nichts anderes übrig, als blitzschnell die Kupplung zu ziehen und am Straßenrand auszurollen.
Merkwürdigerweise blieb ich ganz ruhig; ich fühlte nichts. Kurz versuchte ich, das Getriebe durchzuschalten: keine Chance. Dann – ich gebe es zu – drückte ich noch einmal kurz auf den Starter: nur ein kurzes Klacken. Glücklicherweise war ich nur 20 Kilometer von Würzburg entfernt, und rund 500 Meter bergab lag eine Tankstelle; die unmittelbaren Zwänge waren also beherrschbar. Ich schob die Maschine zur Tanke und rief den ADAC; alles weitere ist nicht der Rede wert.

Wie geht es jetzt weiter? Punkt 1: Ich wollte dieses Jahr noch das Öl wechseln und das Ventilspiel nachsehen. Das kann ich wohl lassen. Punkt 2: Ich habe noch den Originalmotor in der Garage; kein Problem, den über den Winter wieder einzubauen. Punkt 3: Soll ich den Tuningmotor reparieren lassen? Ich weiß es nicht. Er hat mich am Anfang sehr viel Nerven und auch Geld gekostet und hat nur rund 4.000 (zugegeben außerordentlich freudvolle) Kilometer gehalten. Ist es nicht blöd, gutes Geld schlechtem hinterherzuwerfen – zumal ich mit der Maschine auch nicht soooo viel fahre?
Imerhin habe ich ein langes, dunkles Winterhalbjahr Zeit, darüber nachzudenken. Vielleicht sollte ich auch den Gedanken zulassen, das Thema Skorpion für eine Weile auszusetzen. Konzeptionell ist sie als sportlicher Einzylinder nämlich immer in Gefahr, zwischen meinen anderen Maschinen zerrieben zu werden: Will ich sportlich fahren, kann ich die Ducati nehmen. Will ich nicht sportlich fahren, nehme ich die SR. Für die Skorpion bleiben da nicht viele Gründe übrig, außer dem, dass sie eben die Skorpion ist.
Verkaufen kommt natürlich nicht in Frage. Und wenn ich mich erinnere, wieviel Freude mir die kleine Schwarze in den letzten Jahren gemacht hat (nachzulesen immer wieder in den begeisterten Kommentaren in diesem Blog), dann schelte ich mich gleich selbst für diese defätistischen Gedanken. Aber einer geht noch: Im nächsten Jahr wird KTM wahrscheinlich eine "ganz normale" Einzylinder-Straßenmaschine bringen, nicht so sportlich (und hoffentlich nicht so hässlich) wie die Duke. 65 PS und 165 Kilo ganz ohne Tuning. Das wäre natürlich eine geniale Möglichkeit, meinen Fuhrpark komplett neu auszurichten...