26.05.2012

City Cruising

War das eine Tour eben: Von Sanderau über Heidingsfeld nach Rottenbauer, dann an Heuchelhof vorbei wieder nach Heidingsfeld, hoch in die Gartenstadt Keesburg, durch Frauenland nach Grombühl, dann über Ober- und Unterdürrbach wieder in die Altstadt und zurück in die Sanderau. 40 Kilometer mit der SR kreuz und quer durch Würzburg - eine Stunde Fahrspaß am Samstag Abend. Viel besser als Song Contest gucken!
Aber der Reihe nach: Heute nachmittag war ich für ein paar kleine Verrichtungen in der Garage - Räder ausbauen zwecks Reifenwechsel an der Skorpion und so - und spürte danach die überwältigende Lust, mal wieder mit der SR zu fahren. Bislang haben mich die meisten Kurztouren mit ihr durch die Dörfer außerhalb von Würzburg geführt, aber heute dachte ich mir: Bleib doch gleich ganz in der Stadt! Schließlich gibt es noch jede Menge Stadtteile, die ich kaum kenne, und nicht zuletzt bewundere ich ja auch diese lässigen jungen Typen, die in Jeans, Lederjacke und Jethelm auf einem coolen Youngtimer durch die City cruisen - so wollte ich auch immer sein...
Also nach dem Abendessen zurück in die Garage geschlappt (sechs Minuten Fußweg), SR aus dem haarscharf in- und umeinander aufgebockten Fuhrpark herausoperiert (drei Minuten) und dann lässig mit einem geübten Tritt angekickt. Da haben die beiden Mädels auf der anderen Straßenseite aber geschaut! Dann ebenso lässig das jeansbehoste Bein über die Sitzbank geschwungen und los. Welch prachtvoller Abend! Die tiefstehende Sonne vergoldet gnädig die langweiligen Nachkriegsfassaden der Stadt. Es sind kaum Autos auf der Straße. Der Weg nach Rottenbauer führt durch ein sattgrünes, schattiges Tal, dann geht es bergauf. Rottenbauer und Heuchelhof sind gewiss nicht die beliebtesten Stadtteile in Würzburg - zur Schlafstadt degeneriertes ehemaliges Dorf mit Straßenbahnanschluss der eine, in-den-Sechzigern-mal-moderner-Plattenbau-Wohntraum der andere. Aber die Aussicht gerade vom Heuchelhof herunter auf die Stadt ist überaus reizvoll. Zurück in Würzburg wechsele ich die Mainseite und fahre hinauf in die Gartenstadt Keesburg - das genaue Gegenteil vom Heuchelhof: nicht der große Architektenentwurf aus den Sechzigern, sondern biedere Möchtegernvillen für die, die es zu etwas gebracht haben. Da steht auch die schreiend metallic-grasgrüne S-Klasse, die mir schon so oft aufgefallen ist. Durch weitere Siedlungen puckert die SR wieder hinunter in die Innenstadt. Nächstes Ziel ist Grombühl - der einzige Teil von Würzburg, der mit seiner dichten Bebauung und den vielen alten Mietshäusern wirklich nach Großstadt ausschaut. Allerdings hatten die Nachkriegs-Wiederaufbauer nicht besseres damit vor, als ihn durch eine vierspurige Stadtautobahn und eine ICE-Bahnstrecke vom restlichen Würzburg abzuschneiden. Nur eine einzige Brücke führt noch nach Grombühl - ich finde das immer wieder unglaublich.
Ganz oben am Stadtrand wohnt ein Freund, den ich schon oft besucht habe. Nach seinem Haus muss man entweder links oder rechts abbiegen. Ich entscheide mich für links und komme sofort raus aus Würzburg in Richtung Oberdürrbach. Wieder so ein kleiner Landstraßentraum durch grüne Felder und Wiesen, die ausgeschilderte Steinburg - ein in Würzburg bekanntes Luxushotel am oberen Rand des berühmten Weinbergs "Stein" - sieht man leider von der Strecke aus nicht. Aber egal: Oberdürrbach ist hübsch und wirkt noch viel mehr wie ein funktionierendes Dorf als etwa Rottenbauer. Weiter gehts nach Unterdürrbach, schon eher der Typ "Vorort" mit riesigen Gewerbegebiet samt "Poco"-Einrichtungshölle.
Gern wäre ich von dort auf die andere Mainseite in die Zellerau gefahren, aber die hat schon vor einigen Jahren ihre Verbindung zur Außenwelt eingebüßt. Die einzige Ausfallstraße ist gesperrt - über die Gründe könnte man ein ganzes Blog vollschreiben - weshalb ein durchaus bedeutender, wenn auch ungünstig beleumundeter  Stadtteil von Würzburg zur Sackgasse wurde und man, um dort hinzukommen, erst einmal mitten durch die Stadt fahren muss. Lokalpolitik at its best.
Ich rolle statt dessen durch die Kneipenstraßen der Innenstadt Richtung Garage. Gut 40 Kilometer mehr zeigt der Tacho als vor einer Stunde. Wer hätte gedacht, dass Würzburg so groß ist. City Cruising. Gerne mal wieder!