15.05.2013

MZ: So war es wirklich

Zugegeben: Diese Überschrift habe ich vor allem aus SEO-Gründen gewählt (das heißt Search Engine Optimization bzw. Suchmaschinenoptimierung – fragt lieber nicht so genau nach). Denn nach meiner Beobachtung werden die Beiträge auf Ras-mussen, die sich mit der untergegangenen Verlierermarke aus dem Osten befassen, besonders oft geklickt. Muss etwas mit der Lust an der Selbstquälerei zu tun haben. Kenne ich.
Leider muss ich die Internet-Katastrophentouristen enttäuschen, die hier eine weitere Story über unfähiges Management, falsche Modellpolitik, die Treuhandanstalt oder andere vermeintliche oder echte Gründe für den Niedergang von MZ erwarten. Sorry für den Etikettenschwindel. Nein, vielmehr geht es hier um einen Randaspekt, der mir kürzlich bei der Recherche nach den Bestandszahlen des Fabrikats aufgefallen ist. Man denkt ja immer so leichthin, dass die deutsche Bürokratie, mag sie auch etwas überdimensioniert, langsam und kompliziert sein, zumindest leistungsfähig ist und gewissermaßen auf Knopfdruck schlüssige Auskünfte geben könnte. Dem ist nicht so, zum Beispiel beim Kraftfahrtbundesamt (KBA). Eigentlich sollte diese Behörde den Überblick über den Fahrzeugbestand in Deutschland haben, und das nicht nur über die Marken, sondern auch über deren einzelne Modelle. Denkt man.
Aber es ist viel komplizierter. Nehmen wir als Beispiel einmal das Modell Skorpion: Im Verkauf gab es ja bekanntlich die Versionen Tour, Sport, Replica und Traveller. Die Bestandszahlen des KBA sehen so aus:
  • Skorpion 677 Stück
  • Skorpion Tour 226 Stück
  • Skorpion Sport 94 Stück
  • Skorpion Replica 38 Stück.
Häh? Worum handelt es sich bei „Skorpion“, wenn Tour und Sport nochmal gesondert aufgeführt sind? Die Schlüsselnummern geben darüber keinen Aufschluss: Unter MuZ (Herstellerschlüsselnummer 7888) gibt es folgende Typschlüsselnummern (TSN):
  • 109 für „Skorpion-Sport“
  • 110 für „Skorpionsport, T“ und
  • 111 für „Skorpionreplica“.
Es gibt also drei TSN, die sich aber nicht mit den Handelsbezeichnungen decken, und vier Bestandszahlen. Das verstehe, wer will. Andere Merkwürdigkeiten in der Liste sind die Modellbezeichnungen RT 126, RT 127 und RT 128. Nie gehört. Oder dass die beliebte ETS 250 oder fast alle 500er-Modelle außer der Silver Star gar nicht auftauchen, obwohl sie eigene TSN besitzen. Oder dass es außer 2.016 Baghira (immerhin!) auch 23 Bahira gibt, aber keine einzige Bagira oder Baghari. Am Ende der Liste findet sich dann noch die gigantische Zahl von 19.012 Krafträdern und 8.148 Leichtkrafträdern vom Typ „unbekannt“. Gar nicht berücksichtigt sind die Maschinen, die zum 1. Januar stillgelegt sind, weil das KBA die seit ein paar Jahren aus den Bestandszahlen herausrechnet. Das betrifft sicher überdurchschnittlich viele Motorräder, weil sie oft über den Winter abgemeldet werden.
Es ist also gar nicht so einfach, sich ein genaues Bild davon zu machen, wie viele MZ-Motorräder wirklich auf unseren Straßen fahren. Rechnet man die Zahlen von oben zusammen, ergeben sich 1.035 Skorpione. Das deckt sich fast genau mit der angeblichen Gesamtverkaufszahl von 1.100 Stück, die man in der Szene manchmal hört. Aber sind die wirklich noch alle angemeldet? Auch die Zahl von 820 Einheiten für die 1000er, die im Register aufgeführt ist, erscheint mir recht hoch, da das Modell ja nur vier Jahre lang mit sehr mäßigen Erfolg angeboten wurde.
Na ja, ich höre an dieser Stelle mal auf. Wahrscheinlich hat ohnehin schon der letzte Leser, der von der großspurigen Überschrift angelockt wurde, das Weite gesucht. Der Grund, warum das Zahlenwerk so chaotisch aussieht, ist mir nicht klar. Hat das Werk so ungenau gemeldet? Oder die Zulassungsstellen der einzelnen Landkreise? Wer weiß. Ich hoffe nur, dass im Zuge der MZ-Abwicklung die ganzen Akten einigermaßen komplett in den Bestand eines Archivs oder Museums wandern, falls sich irgendwann noch einmal jemand dafür interessiert, wie das wirklich war. Mit MZ.