28.11.2014

Horex: Kapitel Zwei Ende

Als ich vor ziemlich genau viereinhalb Jahren von der Präsentation der neuen Horex in München nach Hause fuhr, war ich mir sicher: Wenn es jemand schaffen kann, eine neue Motorradmarke und -produktion in Deutschland auf die Beine zu stellen, dann diese Leute. Es schien ausreichend Geld zur Verfügung zu stehen, alle Einzelheiten vom Motorenkonzept bis zur Pressearbeit waren generalstabsmäßig durchgeplant, und dann kamen die Macher um Clemens Neese auch noch so sympathisch 'rüber, dass man ihnen einfach alles Gute wünschen MUSSTE.
Doch es hat nicht gereicht. Heute wurde den Mitarbeitern mitgeteilt, dass sie gehen müssen. Das Horex-Kapitel Zwei scheint zu Ende zu sein.
Ich habe mir wirklich gewünscht, nicht Recht zu behalten, aber wenn ich mir heute ansehe, was ich damals aus Anlass der Horex-Präsentation über vergleichbare Projekte geschrieben habe, dann lag ich nicht so weit von der Wahrheit entfernt:
"Business-Pläne und ein paar Millionen in der Hinterhand haben die auch alle, und meistens schaffen sie es ebenfalls, ein faszinierendes Motorrad zu entwickeln und der staunenden Presse darzubieten. Eine Produktion aufzubauen gelingt dann schon nicht mehr in jedem Fall, und wenn doch, dann scheitern sie spätestens an den Mühen der Ebene. Garantiekosten, Rückrufaktionen, Händlerunterstützung, Werbung, Entwicklungskosten für neue Modelle usw. fressen den spärlichen Cashflow auf, hochfliegende Wachstumspläne verwirklichen sich nicht, und nach ein paar Jahren bleibt nur der Gang zum Insolvenzrichter."

MV Agusta, Ducati, aber nicht Horex
Diesen hat das Augsburger Unternehmen bereits am 28. August angetreten; seither bemühen sich Clemens Neese und der Insolvenzverwalter um neue Investoren oder Eigentümer. Ein Interessent ist wohl noch im Rennen, aber an einer Übernahme des kompletten Unternehmens inklusive Mannschaft ist dem wohl nicht gelegen.
Noch gestern sagte mir ein Mitarbeiter mit dem typischen Unglauben des enttäuschten Enthusiasten: "Es kann doch nicht sein, dass Clemens Neese damals nur mit einem Blatt Papier in der Hand eine zweistellige Millionensumme auftreiben konnte, und heute gibt es niemanden, er auch nur ein Zehntel dieser Summe für eine komplette Firma mit einem funktionierenden Produkt ausgeben will?"
Das erscheint wirklich unglaublich, wenn man bedenkt, dass Daimler vor ein paar Wochen für wohl sehr viel mehr Geld 25 Prozent an MV Agusta erworben und Audi für Ducati über 860 Millionen bezahlt hat. Andererseits kann man auch sagen: Früher konnte man noch an das Horex-Geschäftsmodell glauben - heute weiß man, dass es nicht funktioniert hat.

Am Preis allein lag es nicht
Über die Gründe für das Scheitern diskutiert die Motorradgemeinde schon seit Monaten. Meistens beschränkt man sich dabei aber auf die technischen Schwächen bzw. die Diskrepanz zwischen den ursprünglichen Ankündigungen (Kompressor! Zahnriemen! 200 PS!) und der Realität. Oder man lastet es ausschließlich der Preisgestaltung an. Ich glaube, beides greift zu kurz. Horex hat es nämlich nicht geschafft, genügend deutsche Händler für sich zu gewinnen - und größere Auslandsmärkte wurden erst gar nicht in Angriff genommen. Nur rund 25 Vertriebspartner gab es letztlich. Angeblich sollen manche etablierte Marken ihren Partnern durch einen Wink mit der Bonuskeule bedeutet haben, sich nicht mit Horex einzulassen. Wenn man bedenkt, dass ein Händler schon verdammt gut sein muss, um von einem solchen Motorrad mehr als eine Handvoll Einheiten loszuschlagen, dann ist es kein Wunder, dass Horex nicht weit über 100 Neuzulassungen hinauskam. Das kann natürlich niemals ausreichen, um die Kosten zu decken. Ein weiterer möglicher Grund: Durch das Vertriebskonzept des Herstellers, der den eigentlichen Verkauf selbst abwickelte und dem Händler nur eine Vermittlungsgebühr zahlte, fehlte sicher der letzte Verkaufsdruck im Händlernetz.

Von der Neumaschine direkt zum Garagengold
Gut möglich, dass die letzten Neumaschinen den Händlern nun aus den Händen gerissen werden. Bei der geringen Gesamtstückzahl dürften sie sich sehr schnell in Garagengold verwandeln. Motorkonzept, Fahreindruck und Design sind schließlich einzigartig. So ein Motorrad wird es nie wieder geben.
Und es steht zu befürchten, dass sich in Deutschland auch nie wieder ein Enthusiast findet, der eine alte Motorradmarke wiedererwecken oder eine neue begründen will - und selbst wenn, dann wird ihn kein Geldgeber auch nur anhören.
Ras-mussen sagt Good-bye Horex. Und wünscht den Mitarbeitern alles Gutefür die Zukunft.