29.07.2009

Auffallen (nicht nur) durch Umfallen

Man muss alles einmal gefahren sein, sagte ich schon früher an dieser Stelle. Damals bezog sich diese Aussage auf einen 50er Roller, diesmal geht es um ein Fahrzeug, das außer dem Vorhandensein von zwei Rädern praktisch gar nichts mit einem 50er Roller zu tun hat: eine Victory Vision.
Victory ist eine Marke aus den USA, die zum Polaris-Konzern gehört, (sehr stark vereinfacht gesagt) Harley-ähnliche Maschinen baut und nun den europäischen Markt beackern will. Und das Spitzenmodell der Baureihe, eine Reisemaschine a la Goldwing oder Electra Glide mit allem Pipapo, haben wir für ein paar Tage im Verlag. Ich gebe zu, dass ich vermutlich nicht auf das über 400 Kilo schwere Metall- und Plastik-Konglomerat gestiegen wäre, wenn nicht sanfter Druck des Chefredakteurs mich dazu bewegt hätte. Aber wie schon gesagt - man muss alles einmal gefahren sein, und so machte ich mich eines heißen Sommertages mit dem Vollkoffer auf in Richtung Bodensee. Jederzeit begleitet von der Angst, das Monstrum umzuschmeißen und nicht mehr aufheben zu können...
Doch auch ohne solche Un- bzw. Umfälle erregte ich mehr Aufsehen, als ich wollte. Das Bild bringt das Styling der Maschine natürlich nicht in allen Einzelheiten 'rüber, aber das Teil sieht einfach cool aus. Ach was: KEWL. Wie dem Hirn eines kranken Comiczeichners entsprungen, vom Modellbauer eines französischen 60er-Jahre-Sci-Fi-Films aus Pappmaché zusammengebaut und anschließend in der Marketingmaschine des Hollywood-Remakes auf's Riesenhafte aufgebläht. Wer mehr sehen will, kann hier nachschlagen.
Der Fahreindruck ist nicht ganz so ungewöhnlich wie das exaltierte Styling  - der Tester registriert einen gemütlich blubbernden V2 (etwas stärker, aber auch ruppiger als ein moderner Harleymotor), ein recht einfaches Handling (solange er nicht zu langsam fährt und die Kurven nicht zu eng werden) und sogar eine ausreichende Schräglagenfreiheit. Wer hätte das gedacht. 
Das Beste sind aber die Reaktionen der Leute. Ich bin ja schon eine Vielzahl unterschiedlicher Motorräder gefahren, aber noch nie haben so viele Leute geglotzt, gewunken, den Kopf geschüttelt oder das Gespräch gesucht. Ein K1200LT-Fahrer kam aus dem "Geil!"-Rufen gar nicht mehr heraus, eine Goldwing-Fahrerin winkte extatisch, ein Kawa-Fahrer stürzte beim Umgucken beinahe vom Bike. Auf Dauer wäre mir das vielleicht zu viel der Aufmerksamkeit, aber für den Anfang war das ganz lustig. Und ich kann mir schon vorstellen, dass eine lange Urlaubsreise über einsame, aber gut ausgebaute Landstraßen mit diesem Motorrad eine feine Sache wäre. Wobei, das wäre sie zweifellos mit jedem anderen Motorrad auch. Und andere Motorräder kann man nach einem Umfaller aufheben...