Zugegeben, die B19 zwischen Meiningen und Würzburg ist keine besonders schöne Straße. Zwar bettet sie sich behaglich in sehenswerte Landschaft zwischen Rhön und Thüringer Wald, hält dem Motorradfahrer aber nur wenig Fahrgenuss bereit – schnurgerade wie sie ist. Als schnelle Rückfahrtstrecke für eine Kurztour kann sie aber durchaus dienen und ist für Motorradfahrer immer noch korrekter als die neu planierte Autobahn A71.
Der Verkehrsteilnehmer sollte sie allerdings nur mit einer guten Straßenkarte nutzen oder über eine ausgeprägte Ortskenntnis verfügen. Denn welche Behörde auch immer für die Wegweiser am Rand der Straße verantwortlich ist, sie hat ihre Arbeit katastrophal schlecht gemacht: Inkonsistent, unlogisch, vollkommen willkürlich scheinen die Hinweise auf den gelben Tafeln zu sein. Beginnen wir am Ortseingang von Meiningen. Dort prangt unübersehbar der Hinweis: "B19 Würzburg". Zwar ist die Unterfrankenmetropole von hier aus noch gut 100 km entfernt, doch liegt auf der Strecke sonst keine weitere Stadt dieser Größe. Insofern ist es nicht nur hilfreich, sondern auch durchaus nachvollziehbar, dass Würzburg bereits in Meiningen ausgeschildert ist.
Oder doch nicht? Der für den nächsten Wegweiser verantwortliche Schildermaler sieht das nämlich ganz anders und streicht sowohl den Hinweis auf die B19 als auch den auf Würzburg. Der Ortskundige und der Kartenbesitzer können sich immerhin in Richtung "Mellrichstadt" wenden und stellen überrascht fest, dass die Richtung "B19 Würzburg" wieder auftaucht, nachdem sie Meiningen verlassen haben. Wer sich nicht auskennt, hat vielleicht Glück.
In Mellrichstadt hingegen ist der Fahrer einmal nicht auf Glück angewiesen, denn ein schwarzes "Würzburg" auf gelbem Grund führt ihn auf sicherem Weg an der Stadt vorbei und weiter. Doch nicht lange. In Bad Neustadt, der nächsten Siedlung an der Strecke, wollte die Schildermafia wieder nichts von "B19 Würzburg" wissen. Dort muss sich der verzweifelte Fahrer in Richtung "Münnerstadt" halten. Tut er dies, bestätigen ihn die erfreulicherweise auftauchenden "B19"-Schilder außerhalb der Stadt, dass er sich richtig entschieden hat. Geschafft? Nein, jetzt kommt es ganz schlimm. Kurz vor Münnerstadt vereinigt sich die B19 mit der B287 Richtung Bad Kissingen und wird von dieser hinterrücks gemeuchelt. Kein Schild, kein Hinweis klärt den armen Kartenunkundigen und Nicht-Franken darüber auf, dass er sich nun für geraume Zeit in Richtung "Bad Kissingen" halten muss, um Würzburg zu erreichen.
Kurz nach Münnerstadt schafft es die B19 schließlich, den Usurpator B287 abzuschütteln und wieder ihren eigenen Weg zu gehen. Doch ach, Würzburg ist es immer noch nicht wert, wieder auf dem Schild zu erscheinen. Jetzt muss sich der Fahrer in Richtung "Werneck" orientieren. Wo das ist? Keine Ahnung, und doch ist es der richtige Weg. Nach wenige Kilmeter bemächtigt sich wieder eine Dreiziffern-Straße der armen B19, diesmal ist es die B286 nach Schweinfurt. Gut, die Stadt ist wenigstens nicht so unbekannt wie Werneck, und außerdem sieht der Eingeweihte bereits die Dampfwolken des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld am Horizont. Fahren wir also gen Schweinfurt!
In einer Ortschaft mit dem einpräsamen Namen Poppenhausen erkämpft sich die B19 ihren Asphalt zurück und der erschöpfte Reisende darf sich ein weiteres Mal an dem berauschend schönen Wort "Würzburg" auf einem golden leuchtenden Schild laben. Doch die Freude ist kurz. Schon fünf Kilometer später kreuzt die bemitleidenswerte 19 die nun wirklich komplett unbedeutende B303 und wird auf den Schilder erneut unterschlagen. Würzburg? Wer schreibt Würzburg, wenn er statt dessen Euerbach oder Niederwerrn schreiben kann? Spätestens hier gibt der unvorbereitete Reisende auf und siedelt sich in Schweinfurt an. Oder tut etwas noch schlimmeres. Der Erfahrene B19-Kenner hingegen weiß, wohin er sich wenden muss, und trifft schon kurze Zeit später wieder auf korrekt beschilderte Straßen, die ihn nun, 35 Kilometer von der Residenzstadt am Main entfernt, auch nicht mehr verlassen.
Uff. Das ist ja noch einmal gut gegangen. Dem Gescheiterten Würzburg-Besucher hingegen kommt noch Jahre später, an seinem unfreiwilligen Exil in Schweinfurt-Niederwerrn, manchmal in den Sinn: wer ist eigentlich für diesen Murks verantwortlich? Oder steckt gar System dahinter?
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