Die Insel Korsika ist ein Paradies für Schweine. Nichts anderem als dem eigenen Willen gehorchend, tummelt sich das Borstenviech grunzend in Gottes freier Natur. Mal zupft es zärtlich an Brombeerblättern, mal futtert es kräftige Kastanien. Und dann wieder tut es einfach nichts und ergeht sich, wenn's ihm beliebt, auf dem warmen Asphalt der Straßen.
Wie ersprießlich eine solche Lebensweise ist, sieht man der korsischen Schweinepopulation durchaus an: Sie sind muskulös und elegant und keine fetten Schwabbel wie die deutschen, in industrieller Mast erzeugten Schwartenlieferanten. Und sie munden, auch das muss an dieser Stelle gesagt werden, ganz vortrefflich.
Doch nicht nur für Paarhufer, auch für den so genannten Menschen stellt sich das Leben auf Korsika höcht angenehm dar. Selbst wenn er nicht all seine Tage auf der "Insel der Schönheit" (ausnahmsweise zutreffende Eigenwerbung) verbringen darf, sondern nur wenige Urlaubswochen. Dann heißt es: Flink runter vom Schiff, eine nette Ferienwohnung suchen (zum Beispiel im hübschen Dörfchen Petreto-Bicchisano, am Schnittpunkt vierer ganz unterschiedlicher Motorradreviere) und den Motor gestartet. Das besonderste (wenn es so etwas überhaupt gibt) an Korsika ist die unglaubliche Vielfalt der Landschaften. So fährt man beispielsweise am schönsten Mittelmeer-Klischeestrand los, beispielsweise in einem pittoresken Fischerdorf, und befindet sich schon wenige (hundert) Kurven später in einer hügeligen, strauchbewachsenen Macchia-Vegetation. Wie das duftet und blüht, gerade jetzt im Frühjahr! Die Straße geht beständig bergan, bald lösen feuchte, schattige Mischwälder die Macchia ab. Auf der Passhöhe herrschen dann Nadelbäume vor, es ist frisch, und der Reisende fühlt sich an die Alpen oder Skandinavien erinnert. Nur um schön wenige Kilometer später im allerschönsten deutschen Wiesengrunde zu landen, in dem nur die Abwesenheit von Autos, Gewerbegebieten und Einfamilienhaussiedlungen dankenswerterweise diese Illusion zerstört.
Das alles spielt sich auf einer Tour von nicht mehr als 100 Kilometern ab, wobei zu sagen ist, dass 250 Kilometer eine ausreichende Tagesaufgabe sind. Es gibt praktisch keine geraden Straßen auf Korsika, oder zumindest kann man die wenigen vorhandenen leicht umgehen. Der Stundenschnitt liegt bei höchsten 40 km/h. Der Straßenzustand schwankt zwischen blendend und erschütternd, wobei die Hierachie der Verkehrswege auf der Karte keinerlei Rückschluss auf Breite und Oberflächenqualität des Asphaltbandes zulässt. Die beste Motorradstrecke war für mich die D 302 von Pisciatella nach Bisinao, südlich von Ajaccio. Bester Asphalt, breit ausgebaut, aber kein Auto unterwegs. Und die Landschaft ausnahmsweise einmal (für korsische Verhaltnisse!) belanglos, so dass nichts den Fahrgenuss störte. Die schönste Landschaft freilich, immer noch nach meiner unmaßgeblichen Meinung, sahen wir entlang der alten N 197 zwischen Lozari und Ponte Leccia im Norden. Ein Traum aus Hügeln; Bächen und unglaublich vielen Farben.Dass es außer tollen Straßen und Landschaften auch noch gutes Essen, schöne Städte und Dörfer, herrliche Strände und freundliche Menschen gibt, macht den Urlaub perfekt. Und für das in diesem Jahr recht unperfekte Wetter kann die Insel ja nichts. Wenn das nun auch noch immer passen würde, dann wollte ich mich auf der Stelle in ein Schwein verwandeln.