19.05.2014

Das erste Mal

Und, Action! SR antreten macht Spaß.
Zündung anschalten, Chokehebel (unten am Vergaser) herunterklappen. Kickstarterhebel ausschwenken, langsam durchtreten, bis ein starker Widerstand einsetzt. Dann den kleinen Hebel unterhalb des Kupplungshebels ziehen (Ventilausheber) und Kickstarter ein wenig weiterbewegen. Am Tank vorbei auf das Schauglas oben am Zylinderkopf schielen, ob schon die glänzende Zunge zu sehen ist (braucht man mit etwas Routine nicht mehr). Wenn ja, Kickstarter auskommenlassen, Schwung nehmen und in einer schwungvollen, fließend runden Bewegung nach unten feuern.
Wer all diese Tätigkeiten korrekt ausführt, der wird mit einem erst schwachen, dann kräftiger und regelmäßiger werdenden Einzylinder-Bubbern belohnt. Die SR läuft. Bei mir löst das auch nach Jahren noch immer ein so wohliges, beruhigtes Gefühl im Bauch aus, als könnte ich erst jetzt sicher sein, aus Timbuktu wieder nach Hause zu kommen.
Yamaha SR 400. Sie ist wieder da.
Am letzten Wochenende hatte ich Gelegenheit, meine SR Baujahr 1990 mit der nagelneuen SR 400 zu vergleichen, die seit diesem Jahr wieder in Deutschland angeboten wird. Und ich ließ keine Ruhe, bis ich meine Frau - eigentlich der rasanten Fortbewegung mit modernem Maschinenmaterial zugeneigt - überzeugt hatte, es doch mal mit Gemütlichkeit zu probieren und mitzufahren. Sie traute sich auch, den oben beschriebenen Prozess (minus Choke, weil Einspritzung) an der 400er durchzuführen. Zum ersten Mal ein Motorrad angetreten, und das erfolgreich. Glückwunsch!
Glückwunsch auch an Yamaha, dass sie sich getraut haben, den Einzylinder wieder nach Deutschland zu holen. Ob es hingegen eine glückliche Entscheidung war, dafür den 400er zu nehmen? OK, ich weiß schon, der stand eben in der heute unabdingbaren, eingespritzten und katifizierten Version zur Verfügung, aber selten haben 100 Kubikzentimeter einen größeren Unterschied gemacht.
Als ich von meiner Maschine auf die Neue umstieg, war ich beinahe entsetzt. Dieses friedliche, nähmaschinenhaft vor sich hin rasselnde Motörchen soll eine SR sein? Sie fühlt sich eher nach 250 statt 400 Kubik an und ist leistungsmäßig (23 PS) ja auch so aufgestellt. Schade. Meine "Große" hingegen, die ich früher schon verschiedentlich als Drehorgel gescholten habe, präsentiert sich im Vergleich geradezu als Dampfhammer: Ordentlich Vibrationen, aber auch richtiger Durchzug. Überraschend war auch, dass der Vergaser-Oldi kaum mehr Kraftstoff verbrauchte als der Euro-3-Motor: 4,0 statt 3,4 Liter auf gut 100 Kilometer - ich würde sagen: Das ist es wert.
Der Unterschied? Nur 100 Kubik.

Wie gesagt: Es ist schön, dass es die Yamaha SR 400 wieder gibt. Aber dass es sie gibt, ist auch ihr einziger Vorteil. Alles andere (Design, Fahrwerk, ...) ist gleich geblieben oder schlechter geworden (Motor). Wer Lust hat, die oben genannte Startprozedur immer mal wieder durchzuführen, ist wohl besser beraten, sich eine gut erhaltene SR 500 zu kaufen. Und für die knapp 4.000 Euro, die dann zum Neupreis der 400er fehlen, lässt sich der Oldi locker durchreparieren und auf Quasi-Neuzustand bringen. Und dann: Zündung an, ...