26.03.2015

Her mit den kleinen Italienerinnen


Zwei Freunde. Zwei luftgekühlte italienische V2. Was könnte es schöneres geben? Nun, vielleicht etwas mehr Zeit zusammen als nur eine Dreiviertelstunde. Immerhin konnte ich sie nun einmal fahren, die Ducati Scrambler, und sie mit der Moto Guzzi V7 von Kollege Gernot vergleichen. Wer diese kleine Seite hier kennt, der weiß ja, dass früher oder später jedes sog. Retrobike hier auftaucht.
Nun also die Srambler. Nach der hirnerweichenden Marketinginszenierung, mit der sie im letzten Jahr auf der Intermot vorgestellt wurde, hatte ich kurzzeitig gar keine richtige Lust auf sie - aber wirklich nur kurz. Denn sie sieht ja wirklich hinreißend aus und hat alle Zutaten, die (m)ein Motorad haben sollte: einen Zweizylinder mit um die 75 PS, eine schlanke, klassische Form und eine bequeme Sitzposition. Auch haben sich die Ducati-Leute sehr viel Mühe gegeben, dem Motor gerade soviel Ruppigkeit zu nehmen, dass er nicht mehr nervt, ohne aber seinen Charakter zu stark zu verwässern. Und so lässt sich die Maschine problemlos auch mit wenig Gas anfahren und der höchste Gang ist auch bei Landstraßentempo nutzbar. Gleichzeitig hat sich der Kühlrippler sein wunderbar perlendes Hochdrehen bewahrt, diese eigentlich unvereinbare Mischung aus scheinbarer Schwere- und Reibungslosigkeit bei gleichzeitig spürbarer metallischer Präsenz, die so eben nur der Zweiventiler von Ducati aufweist. Ein fantastischer Motor.

Was soll denn bitte dieser Reifen?
Aber ich wäre ja nicht ich, wenn ich nicht etwas zu meckern hätte. Vollkommen unmöglich finde ich die beknackte Reifenkombination mit dem schlanken 110er vorn und dem 180er hinten. Die fette Walze passt vielleicht in eine Reiseenduro, aber doch nicht in einem zierlichen Scrambler! Mir will auch bei langem Nachdenken kein einziger Grund einfallen, der FÜR diesen Reifen spricht. Schade, hier hat die italienische Geschmackspolizei versagt (genau wie damals bei der GT 1000, die hatte die gleiche unpassende Dimension). Und wo ist der Hauptständer? Na gut, lassen wir das.
Insgesamt harmonischer und geschmackssicherer gestaltet als die Scrambler ist die Moto Guzzi V7. Trotz vergleichbarer Eckdaten ist das Fahrerlebnis mit ihr vollkommen anders, und das nicht nur wegen ihrer deutlich geringeren Leistung (48 statt 75 PS). Während die Duc ein durch und durch modernes Bike ist und sich auch so fährt, merkt man der Guzzi ihre lange Geschichte jederzeit an. Prinzipiell ist sie eben immer noch die alte V35/50 von Ende der Siebziger.

Auch die kleinste Guzzi ist ein Baumstamm
In einem früheren Beitrag hatte ich einmal die Guzzi Le Mans als Baumstamm mit Stummellenkern bezeichnet, und ein klein wenig von diesem hölzernen Fahrverhalten hat auch die V7. Obwohl sie ja sehr leicht ist (um die 200 Kilo, kaum mehr als die Ducati), fühlt sie sich viel stoischer an als andere Maschinen in dieser Gewichtsklasse. Der Motor klingt besser als der der Duc und schnuffelt mit seiner schweren Schwungmasse so herrlich oldtimerhaft um kleinste Ecken, fühlt sich aber im mittleren Drehzahlbereich immer merkwürdig gehemmt an. Ich wäre zwar der letzte, der einer 48-PS-Maschine Schwachbrüstigkeit vorwerfen würde, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass die 750er hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt.
Mit den heute anscheinend unvermeidlichen 17-Zoll-Rädern ist sie außerdem zu niedrig und wirkt um das Hinterrad herum irgendwie zugebaut. Etwas längere Federbeine und 18-Zoll-Räder könnten sie luftiger und eleganter wirken lassen - aber ich glaube, ich bin schon wieder beim Meckern.
Lassen wir es dabei: Es war eine wunderbare Dreiviertelstunde mit den beiden hübschen Italienerinnen im Odenwald. Werde ich wohl eine von ihnen wiedersehen?