Der Ausnahmezustand in Sachen Brüdertour hält weiter an. Der Jüngste ist mit dem Hausbau beschäftigt, und da sind längere Motorradurlaube nicht drin. Vor allem, wenn dann noch ein Handwerker ausfällt und die beiden Brüder statt als Motorradfahrer als Trockenbauer gefragt sind.
Aber trotzdem hat es zu einer zweitägigen Ausfahrt inklusive Übernachtung gereicht. Nachdem wir im letzten Jahr von der Familienranch im Raum Glauchau aus Richtung Osten gefahren sind und Sachsen erkundet haben (inklusive einem Abstecher nach Tschechien), ging die Fahrt diesmal in Richtung Westen. Der Thüringer Wald bietet ja auch jede Menge Landschaft und die eine oder andere schöne Strecke.
Entlang der Kleinstädte Schmölln, Berga und Auma ging es zunächst ins Thüringer Schiefergebirge, wo mit der fjordartig in die bewaldeten Hügelzüge eingebetteten Talsperre Hohenwarte (inklusive waschechter Fähre!) ein kleines bisschen Norwegen auf uns wartete. Nach einem kleinen Abstecher nach Oberfranken fuhren wir weiter über die rauhen Hochlagen des Thüringer Walds nach Katzhütte. Weiter südlich, bei Schleusingen, öffnete sich die Landschaft wieder: Hügel, Felder und Wiesen und hübsche Dörfer prägten statt düsterer Wälder das Bild. Fahrerischer Höhepunkt: Die Strecke von Themar über Bischofrod und Marisfeld nach Dillstädt.
Über weitere kleine Landstraßen überquerten wir erneut den Kamm des Thrüringer Walds und passierten mit dem Großen Inselsberg einen der höchsten Gipfel (916 Meter). Doch dann wartete das unvermeidliche Thüringer Becken auf uns - wir wollten in Erfurt übernachten, und da bleibt es nicht aus, auch ein paar Kilometer durch die langweilige Ebene mit ihren Gewerbegebieten zu rollen. Aber das lohnt sich - mit seinem mittelalterlichen Kern ist Erfurt für mich eine der schönsten Städte Deutschlands.
Am nächsten Morgen verabschiedeten wir uns von unserem mittleren Bruder, der wegen anderer Verpflichtungen den Rückweg nach Schwaben antreten musste. Tobias und ich hielten uns gen Norden - auf dem Plan stand ein Abstecher in den Harz. Nach ein paar Navigationsproblemen in der langweiligen Ebene rund um Sömmerda schafften wir es ins Kyffhäuser-Gebirge, wo nicht nur eine nette Kurvenstrecke auf uns wartete, sondern in den südlichen Ausläufern eine überraschend bezaubernde Landschaft, ein richtiges Paradies.
Den Harz konnten wir allerdings nur streifen: Von Kelbra aus fuhren wir über Hayn und Königerode zurück nach Sangerhausen - und damit auf den Rückweg. Der hatte viele langweilige Passagen zu bieten - beispielsweise über die B180 nach Querfurt und weiter Richtung Naumburg. Hier konnte uns auch der bewährte Tomtom nicht weiterhelfen: eine Baustelle samt Vollsperrung vereitelte den einzigen parallelen Weg über die Dörfer. Immerhin leisteten wir uns noch einen Abstecher ins wirklich wunderschöne Unstruttal mit seinen Weinbergen.
Inklusive An- und Abreise waren es dann doch vier volle und tolle Motorradtage mit rund 1.360 Kilometern Fahrstrecke. Und ich weiß jetzt auch, wie man Gipskartonplatten an Wände schraubt. Trotzdem hoffe ich, dass wir es nächstes Jahr mal wieder raus Deutschland schaffen.
Wobei - vielleicht wartet ja noch ein anderes familiäres Motorrad-Highlight auf mich: Der Sohn ist in der Fahrschule, die 125er bereits bestellt. Vielleicht passiert ja in den Sommerferien noch was...