Ist das endgültig das Ende für MZ? In einem Schreiben an die Händler hat der Geschäftsführer, ein Büttel des malaysischen MZ-Eigners Hong Leong, angekündigt, den Geschäftsbetrieb zum 31. Dezember des Jahres einzustellen. Das trifft mich als MZ-Fan, -Fahrer und ehemaligen -Werksstudenten tief ins Herz. Ganze 86 Jahre Fahrzeugbau, eine ganze Epoche der Motorradgeschichte, eine tiefe regionale Verwurzelung – all das könnte nun für immer beendet sein.
Zwar lehrt die jüngere Geschichte des Werkes , dass es nach den bisherigen Insolvenzen (1991!, 1996!) weiterging. Vielleicht taucht auch diesmal in letzter Sekunde jemand auf, der an Technik, Händlernetz und Markengeschichte interessiert ist. Aus China, Indien oder sonstwoher. Oder sollte vielleicht VW-Eminenz Ferdinand Piëch sein kolportiertes Motorradinteresse krönen, indem er eine kleine, allerdings nicht ganz so feine Motorradfabrik aufkaufte und die Auto-Union-Restbestände im VW-Konzern vervollständigte? Das ist natürlich pure Spekulation.
Das Ganze wäre vielleicht auch nicht mehr so einfach wie 1996. Schließlich ist MZ ja nicht als selbstständiges Unternehmen pleite gegangen (pleite war man ja quasi seit 1996), sondern ein Konzern hat beschlossen, ein unrentables Zweigwerk dichtzumnachen. So wie vor kurzem Nokia in Bochum oder Electrolux in Nürnberg. Proteste, wie sie die Hohndorfer Restbelegschaft nun vor der Sächsischen Aufbaubank (SAB) plant, sind zwar ehrenwert, dürften aber zu nichts führen – ebensowenig wie in den ungleich prominenteren Fällen Bochum/Nürnberg.
Die SAB dürfte zudem einen Teufel tun, noch einmal Geld in MZ zu stecken. Ex-Geschäftsführer Petr-Karel Korous war ja ein Meister darin, staatliche Fördermittel lockerzumachen. Ach, Korous! In manchen Foren wird der geschäftstüchtige Manager ja geradezu als Beelzebub gesehen, der MZ in die Hölle hinabgezogen hat. Und was seine katastrophale Modellpolitik und kostspielige Abenteuer wie den GP-Einsatz Ende der 90er jahre (ja, wirklich!) betrifft, so ist da durchaus etwas dran. Zu nicht weniger als der größten europäischen Motorradfabrik wollte er MuZ aufbauen – einfach lächerlich! Andererseits: Ohne ihn wäre das Werk vielleicht schon 1991 allen anderen ostdeutschen Fahrzeugbauern gefolgt und hätte sang- und klanglos aufgehört zu exisitieren. Dann hätte es die Skorpion nie gegeben, wenn auch das Serienmodell bei weitem nicht die von PKK in grenzenlosem Optimismus versprochenen Qualitäten hatte...
Aber ich will mich nicht in Kleinigkeiten verlieren. MZ bzw. MuZ war 1996 pleite. Hong Leong übernahm den Laden, sicherlich auch mit etwas staatlichem Geld geschmiert, und hielt seither mit erstaunlichem Stoizismus auch die eigene Tasche auf. Die Baghira/Mastiff, die 125erBaureihe und die MZ 1000 entstanden seither. Davon hatte nur die 125er geschäftlichen Erfolg. Alle anderen Modelle seit derWende waren technisch zwar gut, aber immer haarscharf am Markt vorbei geplant. Ein Einzylinder-Straßenbike? Wollte niemand mehr. Eine gleichzeitig schwere und unbequeme Enduro? Also, entweder oder. Ein sporttourentauglicher Alleskönner? Leider hat das Segment während der langen Entwicklungszeit dichtgemacht. Wer letztlich an diesen Fehlgriffen Schuld ist, wird sich wohl nicht mehr feststellen lassen. Sicher ist, dass Hong Leong nie so richtig wusste, was man mit MZ eigentlich anfangen sollte. Strategie? Fehlanzeige. Soweit ich weiß, läuft bis heute nicht einmal die moderne 125er in Malaysia vom Band, obwohl die Entwicklung dieser Maschine und ihre Industrialisierung in Asien doch angeblich ein wichtiger Grund für die damalige Übernahme waren!
Während praktisch alle Mitbewerber auf dem 125er Markt ihre Fahrzeuge in Niedriglohnländern fertigen und damit die Preise im Segment ins Bodenlose fallen lassen, schaffte ausgerechnet Hong Leong das nicht und preiste MZ damit aus seinem einzigen erfolgreichen Markt. Und mit der 1000er konnte man in Malaysia ohnehin nichts anfangen und beendete die Bemühungen des dynamischen Geschäftsführers Christoph Baumgärtner um bessere Öffentlichkeits- und Vermarktungsarbeit schon nach einem Jahr abrupt. Seither regiert in Hohndorf der Abwickler.
Und was passiert jetzt? Selbst wenn sich ein Investor findet und Hong Leong alles an ihn verkauft, bräuchte der Mann mächtig tiefe Taschen und eine klare Vision, was er mit einer mittelständischen Motorradfabrik ohne großen Namen, mit unklarer Positionierung und einem Heimatmarkt, der sich seit sieben Jahren im Sinkflug befindet, anfangen soll. Also, ich wüsste da nichts. Wahrscheinlicher ist, dass jemand MZ übernimmt, der schnell noch ein paar Fördermittel abgreifen und die 125er-Produktion nach China verlagern will (aber dabei an Qualitätsproblemen scheitert), und letztlich das Leiden des Patienten noch verlängert. Oder es ist diesmal wirklich zu Ende.
Schließen möchte ich diesen überlangen Monolog mit einer provokanten und sehr persönlichen These. Angenommen, Hong Leong sperrte den Laden wirklich zu. Wäre das so schlimm? Also, für mich nicht. Ich denke, MZ hat bereits alle Motorräder gebaut, die mir jemals gefallen könnten. Kurz gesagt: jetzt kann sowieso nichts mehr kommen, was mich noch umhauen würde (das gilt übrigens für den gesamten Motorradmarkt!). Aber auf dem Gebrauchtmarkt wird es immer Skorpione, 100er, Baghiras, 125er und all die anderen wundervollen Maschinen geben. Ich werde also auch ohne Nachschub aus Zschopau MZ fahren können, solange ich will – und solange es Benzin gibt. Dutzende Beispiele anderer untergegangener Marken zeigen das. So what? Ach, ich weiß auch nicht.
P. S. Ich war heute Nachmittag in der Garage. Die Rote ölt ein bisschen.
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