11.11.2018

Hätte, hätte, Steuerkette

Es war unser erster Neuwagen - damals in 2009, dem Jahr der Abwrackprämie. Entschuldigung: Schon damals hieß es natürlich Umweltprämie. Dabei war es ein ganz simples Absatzförderprogramm für die Autoindustrie während der Finanzkrise. Es hat gewirkt - auch wir entschieden uns, unseren damals bereits uralten Ford Escort gegen ein Neufahrzeug einzutauschen. In meiner Hybris dachte ich, dass es vielleicht auch unser letzter Neuwagen bleiben könnte. Wäre es nicht toll, nach 30 Jahren mit einem Ersthand-Oldtimer in der Zeitschrift "Oltimer-Praxis" aufzutauchen? Immerhin handelte es sich um einen Skoda, ein Produkt des Volkswagen-Konzerns, zusammengebaut in der Tschechischen Republik von erfahrenen Automobilbauern.
Sehr viele Jahre ging es auch gut. Der Wagen (nur wenige Monate vor der Geburt unseres Sohns angeschafft) trug die junge Familie zuverlässig, bequem und komfortabel durch Deutschland. Auch nach vielen Jahren und vielen gefahrenen Testwagen bin ich vom Konzept des Kombis immer noch überzeugt: Im Prinzip fehlt ihm gegenüber neueren Typen nichts wesentliches. Der Motor (1,4-Liter TSI mit 90 kW/122 PS) war ausreichend leistungsstark, leise und sehr sparsam. Ich war anfangs ein sehr großer Fan dieser turbogeladenen Direkteinspritzer, weil sie den 2009 noch vorherrschenden Saugern einfach in jeder Hinsicht überlegen waren. Heute sehe ich das anders. Das Platzangebot ist überragend, die Bedienbarkeit einfach, die Qualität der im Innenraum verbauten Materialien unerschütterlich - immer noch ein klasse Auto.
Eigentlich hätte ich ihn gern noch sehr lange weitergefahren. Ob bis 2039 - wer weiß? Vielleicht sind benzinbetriebene Fahrzeuge dann ja schon verboten. Doch nach gut acht Jahren und 120.000 gefahrenen Kilometern - eigentlich keine hohe Fahrleistung - ging das mit den Reparaturen los. Ich glaube nicht an geplante Obsoleszenz bei Automobilen, aber VW ist seit einigen Jahren eben sehr gut darin, Teile nahe an ihrer Belastungsgrenze auszulegen, um weder Material noch Geld zu verschwenden. Als Ingenieur kann ich das gut nachvollziehen, als Kunde weniger.
Als erstes versagte die Klimaanlage ihren Dienst, weil der Kondensator undicht war. Bei der Gelegenheit stellte die Werkstatt fest, dass auch die beiden Kühler undicht waren. Als nächstes dann beinahe der GAU: Die Steuerkette, ein notorischer Schwachpunkt bei der Motorenbaureihe EA 111, hatte sich gelängt und musste ersetzt werden. Glück gehabt, dass sie nicht gerissen ist, dann wäre der Motor Schrott gewesen. Aber auch so flatterte eine vierstellige Reparaturrechnung ins Haus. Und als dann wenige Wochen später der Endschalldämpfer abfiel, da fiel gleichzeitig die Entscheidung: Die Kiste muss weg. Denn der Glaube, dass die aktuelle Reparatur die letzte sein wird, trügt immer. In modernen Fahrzeugen ist so viel komplexe Technik verbaut, da kann mit zunehmender Laufleistung jederzeit etwas passieren - von den normalen Verschleißteilen ganz zu schweigen. Darauf wollten wir nicht warten.
Es ist nun wieder ein Neuwagen geworden, aber ein japanischer. Downsizing betreiben wir nicht mehr beim Motor, sondern beim ganzen Fahrzeug: Beim Honda Jazz handelt es sich um einen Kleinwagen, wenn auch um einen ungewöhnlich geräumigen. Der Motor ist ein 1,5-Liter-Sauger mit 96 kW/130 PS, der im Test (bei der "Auto-Bild") mehr Durchzugsstärke zeigte als sämtlichen neumodischen Turbo-Dreizylinder, ohne deshalb mehr zu verbrauchen. Die neueste Abgasnorm Euro 6d-Temp hat er auch. Und er kann nicht kaputtgehen, er ist ein Japaner. Ich freue mich schon darauf, in 30 Jahren mit einem Ersthand-Oldtimer in der "Oldtimer-Praxis" aufzutauchen. Ihr werdet sehen!

Wer noch etwas mehr über den Honda Jazz lesen will, kann hier nachschlagen.