04.06.2020

Die Brüder-MZ: Geschichte eines besonderen Motorrads


Meine aktiven MZ-Zeiten sind zwar vorbei, aber trotzdem hängt mein Herz noch immer an den Zschopauer Maschinen. Dieses Gen habe wohl weitergegeben – und nicht nur das Gen. Denn seit 25 Jahren befindet sich eine MZ ETZ 250 im Familienbesitz, die zuerst mir gehörte, dann meinem jüngsten Bruder - und die nun auf den mittleren Bruder übergegangen ist. Die blaue Fahne flatter weiter stolz im Wind!
Die Maschine kaufte ich 1995 aus dem Bestand einer Feuerwehr in Sachsen. Heute nicht mehr vorstellbar, aber damals war das Interesse an den DDR-Zweitaktern so gering, dass ich das Gerät für genau eine Mark bekam. Es war mein erstes „großes“ Motorrad nach diversen 50ern und 150ern, und sie trug mich bis nach Sewastopol. Außerdem probierte ich an ihr meine Fähigkeiten als Customizer aus und verpasste ihr die üblichen Insignien eines Café Racers: einen flachen Lenker und eine kurze Sitzbank. Nur gut, dass sich davon kaum Bilder erhalten haben. Außer dieses von der Reise durch Polen im Jahr 1998:


Ein Jahr später trug sie dann einen blauen Lacksatz, und die mörderisch harte Sitzbank war einem bequemen Doppelsitz gewichen. In dieser Form fuhr ich mit ihr in drei Wochen knapp 6.000 Kilometer durch Osteuropa, und das ohne jede Panne.


Bei mir blieb die MZ bis zum Jahr 2003. Nach meinem Umzug von Zwickau an den Bodensee hatte ich sie zerlegt im Kofferraum meines Saab dorthin transportiert. Allzu viele Kilometer kamen nicht mehr zusammen, aber ich weiß noch genau, warum ich mich schließlich von ihr trennte: Ende Januar 2003 fuhr ich zusammen mit meinem Freund Johannes auf das Elefantentreffen im Bayerischen Wald. Nach meiner Rückkehr am Sonntag abend, nach acht Stunden bei unter 0 Grad auf dem Bock, hatte ich keine Lust mehr, Salz und Dreck von der Maschine zu waschen. Das rächte sich bitter: Als ich sie das nächste Mal anschaute, waren alle Stahlteile braun und alle Aluteile weiß. Also gab ich sie an meinen jüngsten Bruder weiter, der damals gerade am Anfang seines (offiziellen) Motorradlebens stand und die MZ als erstes Projekt gleich komplett durchrestaurierte.
Auch Tobias nutzte die 250er als Reisemaschine und fuhr mit ihr unter anderem an die polnische Ostsee. Als später schnellere Maschinen seinen Fuhrpark ergänzten, stellte er sie ab – der Bauernhof unserer Eltern bietet dafür ja genügend Platz. Mindestens zehn Jahre stand sie da, bis das Auge unseres Mittleren auf sie fiel. Michael ist ja seit ein paar Jahren ebenfalls Motorradfahrer und hat mittlerweile erkannt, dass kein Weg an einem Zweitmotorrad vorbeiführt. Also war die Frage „Tobi, kannst Du nicht die MZ wieder herrichten?“ schnell gestellt, und unser Schraubergott restaurierte die Emme nach 17 Jahren ein zweites Mal. Und diesmal sieht sie wohl besser aus als jemals zuvor:


Diese Woche wurde sie nun von Chemnitz über Würzburg nach Wendlingen überführt. Auf der zweiten Etappe begleiteten meine Familie und ich die beiden Brüder. Was war das für eine fantastische Tour: Bei strahlendem Sonnenschein mit drei Ein- und einem Dreizylinder auf kleinen und noch kleineren Landstraßen durch Süddeutschland, immer haarscharf vorbei an allen Ballungsgebieten. Dass kurz vor Ankunft die MZ kurz streikte, gehört zur Folklore – damit muss der neue Besitzer nun umgehen lernen. Und Kleinigkeiten wie eine verstopfte Vergaserdüse kann man auch bei wenigen Motorrädern so leicht reparieren wie bei der MZ.
Natürlich habe ich es mir nicht nehmen lassen, auch eine kurze Runde mit „meiner“ ETZ zu fahren – zum ersten Mal seit 2003! Es flutschte, als sei keine Zeit vergangen, und es war frappierend, wie viel leichter und handlicher als die optisch gleich große Enfield die Emme ist. Aber trotzdem: Meine Zweitakt-Zeiten sind vorbei. Umso mehr Glück und Fahrspaß wünsche ich dem neuen Besitzer mit seiner Brüder-MZ!