Würzburg baut eine Brücke. Das ist nicht nur deshalb eine Erwähnung auf dieser kleinen Seite wert, weil diese unweit meines Wohnorts entstehen wird. Sondern gleich aus mehreren Gründen.
Punkt 1: Die Entstehungsgeschichte
Wenn in Würzburg eine Straße, Brücke oder sonstiges Verkehrsbauwerk baufällig wird, dann saniert man es nicht etwa, sondern lässt es weiter verfallen. Irgendwann ist der bauliche Zustand so bedenklich, dass man es für den Verkehr sperren muss. Aber auch dann wird es nicht etwa saniert, sondern noch einige weitere Jahre in seinem traurigen Zustand belassen. Irgendwann, wenn es denn gar nicht mehr anders geht, trifft die Stadt eine Entscheidung: abreißen oder generalsanieren. Ich bin kein Baufachmann, aber mich deucht, dass eine Sanierung in jedem Fall günstiger wäre, wenn man sie gleich nach Eintreten der Schäden vornehmen würde. Aber nun.
Im konkreten Fall, der Siligmüllerbrücke, stellt sich die traurige Geschichte so dar: Das gerade mal 190 Meter lange Bauwerk überspannte die Bahnlinie von Würzburg nach Süden und verband die Stadtteile Innenstadt/Sanderau und Frauenland. 1969 gebaut, musste sie bereits 1995 wegen Baumängeln gesperrt werden. Das nahm die Stadt Würzburg nicht etwa zum Anlass für eine Reparatur, sondern entschied sich, die Brücke erst einmal für weitere 13 Jahre zu sperren. Besser wurde sie dadurch natürlich nicht: 2009 folgte der unvermeidliche Abriss.
Doch schon damals muss den Würzburger Bauverantwortlichen klar gewesen sein, dass an einer Stelle, an der sich eine Brücke befand, wohl ein gewisser Bedarf nach Überwindung einer Geländeunebenheit bestanden haben muss - und dieser mit dem Abriss nicht etwa verschwunden war. Allerdings brauchten sie weitere zehn Jahre, um die Planung, den Haushalt und die richtige Sternkonstellation miteinander in Einklang zu bringen. Dabei half ihnen die Normative Kraft des Faktischen dergestalt, dass die nur wenige hundert Meter weiter südlich gelegene Rottendorfer Brücke ebenfalls schon seit Jahren bedenkliche Auflösungserscheinungen zeigt. Die bewährte Methode des Verfallenlassens scheidet hier allerdings aus, weil niemand mehr vom Stadtring Süd nach Würzburg hineinfahren kann, wenn es gar keine Brücke mehr gibt.
Bevor die Rottendorfer Brücke abgerissen und neugebaut werden kann, muss als Ersatz also die Siligmüllerbrücke wiederhergestellt sein. Diese Arbeiten haben mit der kleinen Verspätung von 25 Jahren nun wirklich begonnen und sollen bis Ende 2022 abgeschlossen sein.
2. Die Baugestaltung
Vor kurzem habe ich fassungslos einer Diskussion auf dem Facebook-Auftritt der Lokalzeitung "Main-Post" beigewohnt, bei der sich viele User erbittert darüber beschwerten, dass die Stadt Würzburg "schon wieder" "Unsummen" für Radwege ausgeben will. Angeblich soll nämlich eine stadteinwärts führende vierstreifige Straße fahrradgerecht umgestaltet werden. Ungeachtet dessen, dass das ohnehin nur ein Projekt ist, musste ich doch lange nachdenken, wie manche Leute wohl darauf kommen, dass Würzburg so viel für Radfahrer tut. Mehr als ein paar sogenannte Angebotsstreifen, die nur "bei Bedarf" für Radler freigehalten werden müssen, sehe ich da nicht.Aber bei der Siligmüllerstraße reicht es nicht mal dafür. Es ist mir ein Rätsel, dass es 2020 noch möglich ist, eine neue Brücke zu bauen, ohne einen Radweg vorzusehen. Baureferent Benjamin Schneider erklärte das bei einer Informationsveranstaltung damit, dass ein solcher auf der neu entstehenden Rottendorfer Brücke vorgesehen wird und die Radfahrer eben dort lang fahren müssen. Eine erschütternde Unkenntnis des Radverkehrs. Niemand fährt einen Kilometer Umweg, nur weil dort zufällig ein Radweg ist - und schon gar nicht, wenn die Strecke erhebliche Steigungen hat. Radwege gehören selbstverständlich zu einer modernen Straße und sind kein Extra, das man nur bei Lust und Laune hinzufügt!
3. Und was hat das ganze mit mir zu tun?
Anfang 2013 bin ich mit meiner Familie in die Annastraße gezogen, deren Verlängerugn die Siligmüllerstraße ist. Ich liebe diese Wohnlage - trotz der Innenstadtnähe ist es hier wunderbar ruhig. Doch damit wird es vorbei sein, wenn die neue Brücke fertig ist und die Rottendorfer gebaut wird. Dann wälzt sich nämlich der ganze Verkehr, der jetzt 500 Meter weiter südlich verläuft, direkt vor unserer Nase vorbei. Und das auf einer deutlich schmaleren Trasse. Ich will mich nicht beschweren: Ich hasse das Nimby-Prinzip („Not in my backyard“), mit dem überall in Deutschland Anwohner Baumaßnahmen verhindern. Ich nehme die Belastung hin, weil ich selbst Verkehrsteilnehmer bin und einsehe, dass man Straßen und Brücken bauen muss. Aber schön wird es nicht. Immerhin: Zwei Jahre lang haben wir noch Ruhe.