01.08.2022

Brüdertour de France - die Rückfahrt

 

Von Moustiers-Sainte-Marie aus ging auf unserer Tour wieder Richtung Norden. Aber auch hier, in der Provence, gibt es noch jede Menge Pässe. Manche sind zwar nur knapp 900 Meter hoch, das schmälert den Fahrspaß aber keineswegs. Und wenn von den nahen Lavendelfeldern Geruchswolken herüberwabern und Bauer Jaques‘ Natursteinhof von nahen Hügelrücken herübergrüßt, dann versteht man schon den legendären Ruf dieser Gegend. Nicht so schön hingegen: das Rhonetal. Wobei: Das moderne Frankreich mit seinen TGV-Strecken und Atomkraftwerken hat schon auch seinen Reiz. Trotzdem bogen wir bald ab in Richtung Ardechetal, das nicht viel weniger eindrucksvoll ist als das des Verdon. Und mit dem Pont d’Arc zudem einen absoluten Blickfang zu bieten hat.
Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass man in Frankreich ziemlich gut Motorradfahren kann? Die Aussichtsstrecke oberhalb der Ardeche war eine echte Rennstrecke: neuer Asphalt wie ein schwarzer Teppich, der direkt für uns ausgerollt worden zu sein schien, kein Verkehr – die ganz große Portion Fahrspaß. Bei anderen Strecken fragt man sich, für wen die wohl gebaut wurden: 20 Kilometer engste Kurven mitten durch den Wald, ohne dass irgendwo ein Haus links oder rechts steht. Vielleicht existieren diese Strecken wirklich nur für uns Motorradfahrer?
 
Plötzlich in einer anderen Welt
Aber es geht auch anders: Am Oberlauf teilt sich die Ardeche ihr Tal mit der Nationalstraße N 102, und auch, wenn die Strecke landschaftlich schön ist – irgendwo müssen die Lkws ja fahren.
Das Tal steigt kontinuierlich und ziemlich steil an, irgendwann überquerten wir die junge Ardeche auf einer kurzen Brücke – und waren plötzlich in einer anderen Welt. Gerade noch im warmen, mediterranen Frankreich, begann nun die Hochfläche des Zentralmassivs. Nun sah man plötzlich sattgrüne Wiesen und Nadelwälder wie im Schwarzwald. Die Straße stieg bis auf über 1.300 Meter, es war plötzlich wieder wunderbar kühl. Die letzten der insgesamt 377 Kilometer bis zum Etappenziel Le Puy-en-Velay rollten wir dahin – entspannt, würde ich gern sagen, aber das waren wir nach vier Tagen und rund 1.600 Kilometern wirklich nicht mehr.
Le Puy empfing uns auf den ersten Blick wenig gastlich. In der eigentlichen Stadt hatten wir kein Hotelzimmer bekommen und mussten in ein Vertreterhotel im Vorort ausweichen – zwischen Supermärkten und Autobahnen. Auch die Altstadt selbst machte zuerst einen langweiligen Eindruck, doch je tiefer wir eintauchten, desto schöner wurde es. Wir fanden ein bezahlbares Restaurant auf einem Platz im Zentrum, und die Stimmung besserte sich mit jedem Schluck und jedem Bissen. Irgendwann hörten wir Musik und beschlossen, ihr zu folgen – und stießen auf einen großen Park, in dem gerade ein ziemlich gutes Livekonzert lief. Die Musik, die warme Luft, die vielen schönen Menschen – wir waren wie geflasht. Was für eine Stimmung, was für ein Ort, was für ein Tag – das muss es sein, das Leben am Existenzmaximum!
 
Weiter, immer weiter
Doch auch der Aufenthalt in Le Puy hatte ein Ende – wir mussten weiter, immer weiter! Der folgende Tag würde schon der letzte in Frankreich sein. Ziel: Nicht wieder Montbeliard, sondern das etwas nördlicher gelegene Belfort.
(Für mich) überraschend stießen wir kurz nach der Abfahrt in Le Puy auf die Loire, die ich eigentlich viel weiter nördlich vermutet hätte (sie entspringt aber tatsächlich im südlichen Zentralmassiv und fließt sehr lange gen Norden), und folgten ihrem romantischen Tal Richtung Roanne. Vom Rest der Strecke weiß ich nicht mehr viel – spektakulär war es nicht. In einigen Orten wurde der französische Nationalfeiertag mit Volksfesten gefeiert, Bauer Jaques brachte die Ernte ein, die Leute werkelten in ihren Gärten – Landleben eben. Aber dass die Strecke wieder sehr lang war (504 Kilometer am Ende), und dass es ziemlich heiß war, das weiß ich noch. Immerhin hatten wir mit dem Tal des Doubs am Ende noch ein paar schöne Kilometer, bevor wir erschöpft in Belfort einliefen.
Das Hotel tat erst einmal nichts, um unsere Stimmung zu heben. OK: Ibis Budget, das ist quasi Budget hoch zwei. Diese Hütte war aber dazu noch mindestens 20 Jahre alt, ohne jemals renoviert worden zu sein. Nicht einmal Bier gab es. Ein Alptraum – aber wenigstens ein kostengünstiger.
Doch kaum hatten wir das Stadtzentrum erreicht, ging es uns wieder gut. Auch Belfort ist eine Festungsstadt (der fleißige Herr Vauban war einfach überall) mit einem gut erhaltenen historischen Stadtkern, vielen Restaurants und diesem besonderen französischem Flair, das am Nationalfeiertag noch stärker zu spüren war. Irgendjemand hatte eine Box auf den Marktplatz gestellt, die Leute tanzten dazu, ringsum saßen wunderschöne Frauen Menschen in den Restaurants, über uns ragte die Festung mit ihrem markanten Löwen auf (Schöpfer: Bartholdi – der mit der Freiheitsstatue): der perfekte Abschluss einer Reise durch Frankreich.
 
Ganz schnell auf über 1.000 Höhenmeter
Aber nicht das Ende der Tour. Denn wir mussten ja noch nach Hause. Direkt nördlich von Belfort ragen bekanntlich die Vogesen auf, und die wollten wir unbedingt noch mitnehmen. Relativ schnell kommt man von Belfort nach Thann und von dort auf die Route des Cretes (Gipfelstraße), wo wir am frühen Morgen auf gut 1.000 Höhenmeter und im Schatten des Hauptkammes (die Strecke war ja früher ein militärischer Versorgungsweg und sollte vor direktem Beschuss von deutscher Seite geschützt sein) erbärmlich froren. Die Aussichten und manche Kurven waren trotzdem großartig, allerdings ist die Route des Cretes (wie ihr östliches Pendant, die Schwarzwaldhochstraße) mittlerweile durchgehend tempobeschränkt (auf 70 km/h).
Doch irgendwann (viel zu früh) endete auch diese Etappe, und nach einer kleineren Irrfahrt durch die Rheinebene waren wir wieder in Deutschland. Und auf der Autobahn. Ja, ganz ohne geht es eben doch nicht – die Bundesstraßen in der Rheinebene sind keine wirkliche Alternative. Während Michael sich Richtung Wendlingen verabschiedete, cruisten Tobias und ich am Ende noch durch den Odenwald und liefen nach 492 Kilometern wieder in Würzburg ein. Insgesamt kamen so an sechs Tagen (bei mir) 2.729 Kilometer zusammen. Und mindestens ebenso viele wunderbare Erinnerungen.




Die Schlucht der Ardeche

Pont D'Arc an der Ardeche

Le-Puy-en-Velay


Belfort



Anmerkungen

 
Essen in Frankreich
Fronkraisch, das Land der Haute Cuisine, wo noch der einfachste Mensch in verfeinerten Genüssen schwelgt und an jeder Straßenecke ein Sternerestaurant zu finden ist – das haben wir nicht gesehen. Im Gegenteil: In keinem Land, das ich bislang bereist habe, kann man so leicht verhungern wie in Frankreich. Echt jetzt!
Denn Langstrecken-Motorradtouren und die Suche nach Restaurants, das verträgt sich nicht miteinander. Denn letztere befinden sich meist in genau den größeren Städten, die man mit dem Bike weiträumig umfährt. Was es aber auch nicht gibt, ist das, was wir in Deutschland haben: ein dicht gespanntes Netz an Bäckereien, Dönerbuden, Schnellrestaurants und anderen Fast-Food-Anbietern, bei denen man sich billig und ungesund sättigen kann. In vielen Dörfern gibt es zwar noch die klassische Bar, aber oft sahen die nicht so wirklich einladend aus oder waren mittags sogar zu (und in dünn besiedelten Gegenden wie im Jura und dem Zentralmassiv fehlten sie ganz). An den Tankstellen gibt es ebenfalls nicht viel, meistens war die Bezahlbude gar nicht offen und wir tankten am Automaten.
Also blieben nur die Supermärkte zur Versorgung: Bisschen Käse und Baguette, ein Pain au Chocolat – das musste reichen. Reichte natürlich auch, sparte Zeit und Geld, aber trotzdem: Sich mittags gemütlich hinsetzen und etwas Warmes essen, das hat auch Charme. Gelang uns aber nur einmal in den Seealpen.
 
Fahren in Frankreich
Frankreich hat ja erst vor kurzem die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf Landstraßen von 90 auf 80 herabgesetzt. Aber gerade auf den gut ausgebauten Nationalstraßen ist es eine echte Strafe, strikt 80 zu fahren. Man kommt nicht voran, die Restkilometer auf dem Navi werden einfach nicht weniger. Natürlich haben die Behörden gerade dort eifrig stationäre Blitzer aufgestellt, und einmal haben sie mich auch erwischt (jedenfalls habe ich es einmal bemerkt. Die Blitzer in Frankreich blitzen übrigens weiß, nicht rot!).
Auf den Kurvenstraßen im Süden ist das egal, da fährt man sowieso nicht schneller als 80 (also ich jedenfalls nicht). Und auf den Nebenstrecken scheint auch die Kontrolldichte wesentlich geringer zu sein. Aber abseits der Autobahn fahren und trotzdem schnell vorankommen, das ist in Frankreich nicht mehr möglich.
Außerdem gibt es in Frankreich jede Mende Bekleidungsvorschriften für Motorradfahrer (Handschuhe mit ECE-Zeichen, irgendwelche Reflexstreifen am Helm und so weiter). All das hatte ich mit vorsorglich gekauft, aber es interessierte natürlich keinen.
Eine echte Wohltat ist das Verhalten der französischen Autofahrer gegenüber Motorradpiloten. SIE LASSEN EINEN FREIWILLIG VORBEI! So etwas würde ein Deutscher nie tun. Und sie fahren überwiegend defensiv, echte Raser gibt es wenige. Ein sehr schönes Fahren dort – wie Gott in Frankreich eben!