Ich liebe es, wenn die Ski- und die Motorradsaison nahtlos ineinander übergehen. Gestern aus dem Skiurlaub zurückgekehrt, konnte ich gleich heute die KTM zu ihrer ersten kleinen Landstraßenrunde ausführen. Heimlich träume ich ja davon, mal während einer Motorradtour in den Alpen kurz anzuhalten, Skiausrüstung auszuleihen und ein paar Schwünge zu machen (oder noch besser: in der Sierra Nevada!). Hat aber bislang noch nie geklappt. Die kleine Adventure wäre als Österreicherin ja das perfekte Reisemobil für eine solche Aktion. Wobei, eigentlich kommt sie ja aus Indien - genau wie meine Enfield, deren Platz im Fuhrpark sie zeitweise einnehmen wird. Hach, all diese Parallelen!
Doch zurück zur heutigen Tour. Ein neues Motorrad macht ja immer Spaß, schließlich hat man sich aus hoffentlich guten Gründen dafür entschieden und sich darauf gefreut. Die 390er ist ein "Moped" im ursprünglichen Sinne: Leicht, superhandlich, kurz übersetzt und immer an der Grenze zur Hibbeligkeit. Eigentlich gar nicht mein Ding, wenn man sich die langhubigen und drehmomentbetonten Maschinen anschaut, die ich zuletzt gefahren bin oder noch fahre (Buell, Triumph T 120, Honda NC 750 oder, ja, auch die Enfield). Aber immer das gleiche zu machen, ist ja langweilig, weswegen ich die neue Sportlichkeit heute entschieden begrüßt habe. Ein Zahn mehr auf dem Antriebsritzel wäre trotzdem keine schlechte Idee.
Der kleine Motor ist allerdings der Hammer. Obwohl ich erst mal nur bis 6.500 drehen darf (Maximum sind 10.000/min), hat er ausreichend Leistung für die Landstraße. An der Ampel vorne anstellen und den Autos davonsprinten - kein Problem. Auch überholen geht - sogar beim jetzigen Drehzahllimit. Das Getriebe ist perfekt abgestuft und bietet immer Anschluss. Der Verbrauch liegt laut Instrument bei 3,6 Litern pro 100 Kilometer.
Das Fahrwerk ist ziemlich straff - wenig verwunderlich bei einer KTM -, und fühlt sich stabil und hochwertig an. Trotz des niedrigen Preises der Maschine sind die Gabel und das Federbein einstellbar. Ich habe alle Schräubchen auf "Mitte" gedreht, aber das ist immer noch zu hart. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich vor Jahren mal auf einer Reifenpräsentation zuerst eine Duke 690 und danach eine Suzuki SV 650 gefahren bin. Während sich das Fahrwerk der KTM mindestens zwei Preisklassen hochwertiger (straff, exakt, trotzdem sämig und mit scheinbar unendlichen Reserven) anfühlte, als es tatsächlich war, kam mir die Suzuki im direkten Vergleich schwammig und unexakt wie eine alte, ausgelutschte MZ vor. Ich konnte damals gar nicht fassen, was für einen Schrott die Japaner ihren Kunden auf dem Fahrwerkssektor andrehen. Sicher sind die indischen Komponenten der 390er trotz der WP-Aufkleber nicht so gut wie das, was KTM in seinen "eigenen" Modellen verbaut, aber ich kann mir gut vorstellen, dass sich die 390er im Vergleich mit der Honda CB 500 X ebenfalls sehr gut schlagen würde.
Interessant war für mich, mal wieder ein Motorrad zu fahrem, mit dem ich auf den mir bekannten Strecken nicht an die Grenze der Schräglagenfreiheit komme. OK, das Motorrad ist neu und es war kalt, aber trotzdem. Bevor ich auch nur ansatzweise mit der Stiefelspitze Asphaltkontakt aufnehmen konnte, begann der Reifen hinten leicht wegzugehen. Klar - der Conti TKC 70 ist ja auch kein reiner Straßenreifen, sondern hat an den Flanken ein ziemlich offenes Profil. Das sieht cool aus und passt bestens zum Motorrad, aber mal sehen, ob ich den Brüdern damit folgen kann. Denn die Brüdertour wird die große Bewährungsprobe für die kleine KTM werden - ich kann es kaum erwarten!